Jetzt, im Moment, sitze ich in Nürnberg. Doch heute Abend bin ich zu einem recht wichtigen Sommerfest in Berlin eingeladen. Ich werde mich gleich auf den Weg machen – zum Zug. Mit anderen Worten, ich werde die Dienstleistung „Öffentlicher Personenverkehr“ nutzen. Und ich hoffe, es wird alles klappen – mit dem DB-Navigator (einem mobilen, digitalen Service) habe ich meine U-Bahn-Verbindungen gecheckt. Im Koffer mein neuer, knallgelber Leinenanzug, den ich mir gekauft habe. Als Sachgut. Und letzte Woche war ich noch beim Friseur. Ich freue mich auf das Fest.
Doch zunächst möchte ich hier noch kurz beschreiben, was dieses Fest für die beteiligten Unternehmen bedeutet. Es macht mich, ehrlich gesagt, kein bisschen glücklich, diesen sonnigen Tag im Zug zu verbringen. Und ich hätte auch fast mein Auto genommen, denn ich bin immer unsicher, ob meine Verbindungen klappen, ob ich schnell genug die nächste Haltestelle finde oder ob ich mal wieder verkehrt herum um die Ecke laufe. Mein großer Wert an allen Produkten (Dienstleistungen und Sachgüter) für die ich heute oder den letzten Wochen Geld aufwende(te) besteht darin, heute einen netten Abend zu haben, gut auszusehen, mich gut zu fühlen und vielleicht ein paar nette, interessante Menschen kennen zu lernen. Und es wird klar, dass Zug, DB-App, gelber Anzug und Friseur am Ende für mich diesem Ziel zu dienen haben. Der Zug bringt mich relativ schnell nach Berlin. Und ich verliere keine Zeit, ich kann arbeiten. Der Anzug wird mich, so hoffe ich, gut und angemessen seriös aussehen lassen - ohne allzuviel zu schwitzen. Beim Friseur habe ich bereits darauf geachtet, dass die Frisur auch einen heißen Tag durchhält, nicht allzu aufwändig ist und ich mich auf sie verlassen kann.
Den Anzug zu kaufen – also zu besitzen und einen Wert aus dem Warenübergang zu erhalten (value in exchange) – ist für mich in diesem Fall kein Wert an sich. Es ist heute nicht mehr so, dass Güter knapp sind – wir brauchen sie für irgendetwas in unserem Leben. Der Wert meines Anzugs wird sich heute in meinem Aussehen zeigen. In seiner Nutzung: Value in Use . Eine Handtasche, beispielsweise, habe ich mir nicht gekauft, sondern von meiner Freundin geliehen. Sie erfüllt dann für mich den gleichen Value in Use – ohne Kauf. Wir sprechen heute von Sharing .
Beim Friseur zu sitzen – naja. Auch hier ist der Value in Use mein heutiges Aussehen. Aber ein bisschen Value in Use hatte ich im Salon auch – ich konnte mich ein wenig entspannen, Fachliteratur zu neuen Modetrends lesen und eine Kopfmassage war auch dabei.
Und was ist mit Zug und Mobilitäts-App? Die App könnte eigentlich super sein. Denn, wenn ich das Auto nehme, dann nur weil ich mich darin sicherer fühle. Ich gehe leicht verloren: ich nenne das „Dislokalie“. Und im Auto strande ich zumindest nicht irgendwo. Diesen Value in Use der Sicherheit auf meinem Wegen könnte mir auch ein ständiger Begleiter bieten. Der einfach mit mir durch den öffentlichen Personenverkehr navigiert, mir sagt, wann ich wo weiterfahren muss. Den allerdings kann ich mir nicht leisten. Die Mobilitäts-App kann potenziell diesen Wert ohne Mensch, kostengünstig und für viele und mich individuell leisten. Aber sie kann es leider noch nicht. Spätestens, wenn der Zug irgendwo hängen bleibt, werde ich mich wieder ärgern. Der Wert der Mobilitäts-App wäre, mich perfekt mit den Angeboten der Verkehrsdienstleister zu matchen. Nun gut. Wird ja vielleicht irgendwann.
Fazit: Es bleibt die alte Frage: „Sein oder haben“ . Gesellschaftlicher Wandel verändert den Konsum – der Mensch strebt nach Werten: Values, die ihm eine höhere Lebensqualität versprechen. Ein Sachgut ist nur selten ein Wert an sich. Stattdessen zählt der Nutzwert (value in use), den sich ein Kunde verspricht, wenn er das Angebot eines anderen Akteurs für sich nutzt. Es lohnt sich daher immer, Zeit dafür aufzuwenden, den möglichen vorstellbaren values in use auf den Grund zu kommen. Und es lohnt sich auch ganz sicher, nicht damit zu enden, dass der value in use das Offensichtliche ist: von A nach B zu kommen. Oder die Haare geschnitten zu bekommen. Denn darin liegt kein Wert an sich.
Der Value in Use ist für
jeden Menschen einzigartig und individuell. Noch schlimmer, er ist
sogar für den einzelnen Menschen je nach Situation häufig
unterschiedlich. Der Value in Use eines Autos, beispielsweise, kann sein
– wie oben beschrieben – dass ich mich sicher fühle. An Tagen, an denen
ich abends zum Yoga gehe, ist er, dass ich meine Matte gut den ganzen
Tag transportieren kann. Es ist dann und auch an anderen Tagen meine
erweiterte Handtasche. Und für jemand anders ist sein Auto vielleicht
doch ein Statussymbol. Oder eben der angenehmste Weg von A nach B zu
kommen; das ist es für mich nicht. Ich weiß auch nicht genau, warum ich
nicht eines „share“
. Doch, ich weiß es schon, weil es dafür in
Braunschweig noch keine wirklich guten Angebote gibt - soweit ich weiß.
Apropos Sharing, Zugfahren oder auch Anzug kaufen. Es ist fast immer ein Dreiklang aus Angeboten, die wir uns von anderen Akteuren wünschen. Fast immer ist ein Sachgut beteiligt. Das Auto, der Zug oder der Anzug. Dazu kommt eigentlich immer eine Dienstleistung – im einfachsten Fall der Handel. Oder ausgereiftere Dienstleistungen, die für den Kunden mehr tun, als ihm nur etwas zu verkaufen: das Car-Sharing oder der Friseur. Und, sozusagen auf den letzten Metern zum Kunden finden sich digitale Dienstleistungen. Die ihn inspirieren, beraten und Problemlösungen für ihn finden. Und noch mehr. Wir würden kein einziges Car-Sharing-Auto finden, wenn wir unsere App nicht hätten. Ganz zu schweigen vom E-Commerce, der uns den Wert, ein passendes Produkt zu finden, häufig besser gewährleistet, als der stationäre Einzelhandel. Schade, aber da werden sich auch noch neue Wege finden.
Mehr zur Service-Logik können Sie auch in unserem letzten Beitrag
nachlesen.