Gestaltungsbereich Value in Use / Entwicklungslinie Digitale Dienstleistungen
Das Service Canvas Feld „Digitale Dienstleistungen“ beschreibt die Nutzung des Potenzials neuer Technologien und die Entscheidung über den Grad der Digitalisierung für die Innovationsentwicklung von personennahen Dienstleistungen. In unserem neusten Video der Reihe „Service Canvas erklärt“ (s.u.) erhalten Sie einen konkreten Einblick dazu, in welchem Zusammenhang Value in Use und digitale Dienstleistungen stehen. In diesem Beitrag wollen wir Ihnen die wissenschaftliche Perspektive der Schnittstelle des Gestaltungsbereichs Value in Use sowie der Entwicklungslinie Digitale Services aufzeigen.
Doch worum geht es bei der Digitalisierung überhaupt? So vielfältig der Begriff Digitalisierung auch genutzt und auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet wird, so geht es grundsätzlich um die Transformation des Analogen ins Digitale. Dieser rein technologische Vorgang, im Englischen als Digitization bezeichnet, bildet die Grundlage einer tiefgreifenden Veränderung in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, die weit über eine bloße Übersetzung von Prozessen und Informationen ins Digitale hinausgeht. Es ist die Einführung digitaler Technologien in nahezu allen Lebens- und Arbeitsbereichen, die ein verändertes Miteinander bewirktund neue Werte schafft – man spricht bei dieser weiterführenden Interpretation von Digitalisierung (Digitalization) (Brennen und Kreiss 2016; Hess 2019).
Die schnelle Verbreitung digitaler Technologien setzt einen enormen Wandel in Gang, der Unternehmen vielfältige Chancen bietet. Um diese Chancen zu ergreifen ist jedoch eine aktive (Neu-)Ausrichtung auf digitale Märkte notwendig. Insbesondere Unternehmen, die keine ursprünglich digitalen Strukturen besitzen, benötigen für eine erfolgreiche Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle eine Strategie in klar definierten Handlungsfeldern, wie sie z. B. „Werteversprechen” darstellen (Fischer etal. 2020). Die Betrachtung des Werteversprechens im Kontext der Digitalisierung führt also zwangsläufig zu digitalen Dienstleistungen mit dazugehörigen Geschäftsmodellen (Robra-Bissantz et al. 2020). Für die entsprechenden Geschäftsmodelle gewinnen Aspekte der value creation, der value proposition (Werteversprechen) und des value capture (Werterfassung) besondere Bedeutung (Mezger 2014; Teece 2018). Für die Umsetzung von digitalen Dienstleistungen müssen Unternehmen Art und Umfang des Einsatzes digitaler Technologien, wie zum Beispiel digitaler Plattformen, sorgfältig abwägen. Die begleitenden Geschäftsmodellen müssen dahingehend gestaltet sein, dass der Kunde das Werteversprechen über die digitale Dienstleistung wahrnehmen kann und eine durchgängige, positive Erfahrung in der Nutzung der Dienstleistung erlebt (Visnjic et al. 2018).
Welche Vorschläge lassen sich nun hieraus ableiten? Abgeleitet aus Erfahrungswerten verschiedener Branchen, aus der Digitalen Transformation und aus der Auseinandersetzung mit Geschäftsmodellen unterschiedlicher Dienstleistungen, lassen sich wesentliche Elemente identifizieren:
- Mehrwert durch sinnhafte Automatisierung: Im Rahmen einer (Teil-) Automatisierung mittels IT werden Aufgaben, die sich in Unternehmen wiederholen und immer wieder in gleicher Art und Weise anfallen, bereits seit einiger Zeit vom Menschen auf den Computer übertragen (Hess 2019). Der flächendeckende Einsatz von Sensoren und Aktoren, zunehmende Vernetzung, neue Möglichkeiten mobiler Kommunikation und die Nutzung von Enabler-Technologien wie z. B. Big Data und Künstlicher Intelligenz, ermöglichen es, auch komplexe Dienstleistungen zu automatisieren und gleichzeitig völligneue Anwendungen bzw. Leistungen (z. B. Bedarfsvorhersagen) zu generieren (Schallmo 2016), sowohl für das Unternehmen als auch für den Kunden. In der Entwicklung von Dienstleistungsinnovationen ist deshalb der Grad der Digitalisierung im Sinne einer sinnhaften Automatisierung individuell unternehmerisch abzuwägen und zuentscheiden, an welcher Stelle der Einsatz z. B. eines digitalen Partners gegenüber einer persönlichen menschlichen Betreuung einen Mehrwert für den Kunden bringt.
- Bewusste Digitalisierung von Aufgaben im Rahmen einer Digitalisierungsstrategie: Besonders die Relevanz digitaler Plattformen als Online-Geschäftsmodell, das Transaktionen zwischen mindestens zwei Akteuren ermöglicht, ist stark angestiegen und führt zunehmend zur Übernahme wichtiger Funktionen (wie z. B. Kommunikation, Zusammenarbeit, etc.) in der Wirtschaft und im Alltag. Für eine gelungene Digitalisierung von Geschäftsmodellen bedürfen besonders Unternehmen ohne bisherige digitale Strukturen Strategien mit klar definierten Handlungsfeldern (Gimpel und Röglinger 2015).
Falls Sie sich einen tieferen Einblick in die Thematik verschaffen wollen, so empfehlen wir Ihnen weiterführende Quellen, die wir
HIER für Sie zusammengestellt haben. Nehmen Sie bei Fragen und Anmerkungen gerne Kontakt mit uns auf! Im nächsten Monat stellen wir Ihnen den Gestaltungsbereich Beziehungen in Kombination mit der Entwicklungslinie Individualisierung vor, deren Schnittstelle das Feld „Matching“ darstellt.
Quellen:
Brennen, J. S./Kreiss, D. (2016): Digitalization, in The International Encyclopedia of Communication Theory and Philosophy, S. 1–11
Fischer S., Lux AM., Guerrero R., Ahmad R., Lohrenz L., & Lattemann C. (2020). Digitalisierung als Grundlage wertvoller Zusammenarbeit – Die Gestaltung von Service-Ökosystemen in den personennahen Dienstleistungen. HMD 334 Praxis der Wirtschaftsinformatik. 57. Jg., Nr.1, S. X-X
Gimpel, H./Röglinger, M. (2015): Digital Transformation: Changes and Chances – In-sights based on an Empirical Study, in: Project Group Business and Information Systems Engineering (BISE) of the Fraunhofer Institute for Applied Information Technology FIT, Augsburg/Bayreuth, S. 1-20.
Hess, T. (2019): Digitale Transformation strategisch steuern: Vom Zufallstreffer zum systematischen Vorgehen. Wiesbaden.
Mezger, F. (2014): Toward a capability-based conceptualization of businessmodel inno-vation: insights from an explorative study, in: R&D Management, Vol. 44, No. 5, S. 429-449.
Robra-Bissantz, S., Lattemann, C., Guerrero, R., Lux, A. M., Redlich, B. & Fischer, S. (2020) Der Mensch als Teil der Innovation – Eine „Service Canvas“ als anwendungs-orientierter Bezugsrahmen. Bruhn/Hadwich (Hrsg.), Automatisierung und Personalisierung von Dienstleistungen. Springer Gabler.
Schallmo, D. R. A. (2016): Jetzt digital transformieren: So gelingt die erfolgreiche Digitale Transformation Ihres Geschäftsmodells. Wiesbaden.
Teece, D. J. (2018): Business models and dynamic capabilities, in: Long Range Plan-ning. Vol. 51, No. 1, S. 40–49
Visnjic, I./Neely, A./Jovanovic, M. (2018): The path to outcome delivery: Interplay of service market strategy and open business models, in: Technovation, Vol. 72–73, S. 46–59.