„Wohnungsnahe, webbasierte Dienstleistungsangebote in Quartieren“ – das ist unser Thema, damit beschäftigen wir, Experten aus der Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis uns täglich, doch was verstehen Menschen aus dem Quartier darunter?
„[…] das klingt spannend und ist in so einer Stadt, in Frankfurt oder in Berlin oder in Hamburg bestimmt hilfreich. Aber solche Leute, die ihr hier sucht. Solche Leute haben wir hier gar nicht. Hier leben viele Geflüchtete. Die kommen her, um mit anderen Frauen zu reden und hier können die Kinder spielen. Das ist schön, dass die hier einen Ort zur Begegnung gefunden haben. […] Aber dann muss diese Plattform. Diese App ja auch auf Englisch sein oder? […] Und hier wohnen auch viele Ältere, die können das vielleicht gebrauchen, aber die haben hier auch nicht alle Internet. […] Und so ein Wäscheservice ist praktisch, aber was kostet das denn? […] Also wer kann sich das denn leisten? […] und wenn ihr dann so eine Notfallbetreuung anbietet, ja dann muss das aber auch laufen. Das geht dann nicht, dass dann keiner kommt […].“ (Auszug aus einem Interview mit einer/einem Quartiersmanager/-in)
Ok, ich geb`s zu. In diesem Ausschnitt wimmelt es nur so vor Herausforderungen und die interviewte Person hob während des Gesprächs mehrfach die Augenbraue und sah unserem Vorhaben zunächst eher kritisch entgegen. Jedoch konnten aus diesem sowie den 31 weiteren Interviews, die wir durchgeführt haben, neben den Herausforderungen auch viele Bedarfe identifiziert werden, die wir als Grundlage für unsere weiteren Arbeiten nutzen können. Die frühzeitige Einbindung der erfahrenen Mitarbeiter/-innen aus dem Quartier sowie der Bewohner/-innen ermöglicht es uns, auf die Anforderungen, Sorgen und Wünsche einzugehen und sie bei der Entwicklung zu berücksichtigen. Das Zusammenspiel von Mensch und Technik ist das, was unsere Plattform ausmacht und unsere Aufgabe ist es nun, diese Anforderungen in konkrete Anwendungsbeispiele – sogenannte Use-Cases- zu übersetzen, sodass auch ein Softwareentwickler, der nicht persönlich mit den Anwendern gesprochen hat, versteht, welche Werte den Anwender dazu bewegen, die Plattform dauerhaft zu nutzen. Zu dem Thema value-in-use wurde ja auch schon in den vorherigen Blog-Beiträgen berichtet.
„[…] die App, das ist so eine Art Ersatz-Mama, die sich um alles kümmert. Das ist ja toll, wenn das dann auch so übersichtlich bleibt und die Eltern im Notfall die entsprechenden Bereiche finden. […] so hat man direkt alles auf einen Blick und muss nicht googlen und vergleichen. […] Ich würde das auch gut finden, wenn man dann seine Fragen teilen kann, dann müssen wir nicht alles doppelt beantworten. Es werden ja gerade am Anfang immer die gleichen Sachen gefragt. […] Das ist schon teurer, wenn man sich eine Betreuung für das Kind bucht, Essenslieferungen nach Hause kommen und dann am besten noch die Wäsche gewaschen und gebügelt wird, als wenn man alles selber
macht […], aber wenn ein Elternteil krank wird, dann ist man bereit viel Geld auszugeben und das alles so weiter läuft.“ (Auszug aus einem Interview mit einer/einem KiTa-Leiter/-in).
Es wurden insgesamt 15 Expert/-innen u.a. aus den Bereichen Kinderbetreuung, Elternberatung, Pflege, Concierge-Service sowie 17 Bewohner/-innen interviewt. Die qualitativen Daten wurden genutzt, um ein Bild über das Dienstleistungsnutzungsverhalten und Informationsbedarfe im Quartier zu erhalten und erste Nutzungsmotive als auch Barrieren zu erkennen. Aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen ist eine quantitative Studie mit einer größeren, repräsentativen Stichprobe für das Jahr 2020 geplant als auch psychologische Experimente (Vignettenstudien), die im Labor der Universität Kiel stattfinden.
Bei unserem nächsten Projekttreffen am 24.09.19 besichtigen wir das Quartier in Oldenburg, das als Pilotstandort im Projekt mitwirkt und erfahren durch die Wohnungsbaugesellschaft und das Quartiersmanagement vor Ort mehr über den Standort, die Bewohner/-innen, Angebote und Versorgungsstrukturen. Zudem konnte das OFFIS Institut für Informatik mithilfe der Anbieter OpenStreetmap und sozialer Stadtplan Oldenburg sowie anhand der Daten des Landesamts für Statistik Niedersachsen eine Übersicht über die vorhandenen Dienstleister sowie Daten zu Einwohnern im Quartier erstellen, was uns dabei hilft das Quartier näher zu beschreiben.
Zudem ist für Ende Oktober ein Workshop mit Dienstleistern in Oldenburg geplant, um mehr darüber zu erfahren, welche Aspekte, Wünsche und Voraussetzungen für die LivingSmart-Plattform aus Sicht der Dienstleister wichtig sind. Dabei sollen neben der Vorstellung des Projektvorhabens, Themen wie Buchungsvorgänge, Datenschutz und die Datenpflege der Plattform diskutiert werden. Dazu werden zunächst Dienstleister, die zu den Betreuungsdiensten gehören, wie KiTas, Fahrdienste, Beratungsstellen, Vereine und Kirchengemeinden involviert.
Lessons Learned