Analysiert und gruppiert man Potenziale dafür, was für einen Akteur in einer Interaktion wertvoll sein kann, so ergeben sich Werte auf drei unterschiedlichen Ebenen: der Beziehungs-, der Matching- und der Dienstleistungsebene (s. Abb. 1). Ein Anbieter sollte seine Interaktionen somit immer bewusst auf allen diesen Ebenen als (digitale) Services gestalten.
Beziehungsebene
Ziel dieser Ebene ist der Aufbau eines positiven Beziehungswerts, zu der jede einzelne Interaktion einen Beitrag leisten kann. Grundsätzlich spielt hier die soziale Verbundenheit, hervorgerufen durch das Antizipieren von Werten und Bedürfnissen, eine große Rolle. Der Beziehungswert wurde insbesondere durch Gummesson (1987) geprägt und beschreibt die Qualität der Interaktion zwischen den Beziehungsteilnehmern. Diese Qualität kann dabei als kumulierter Wert interpretiert werden. Wichtige Elemente können hier der Kommunikationsstil, die Ansprache oder auch die Art der digitalen Kommunikation bzw. des gewählten Kanals sein.
Matching-Ebene
Ziel der Matching-Ebene ist die Auswahl der richtigen Service- und Kommunikationsbestandteile. Diese Ebene ist schlussendlich die Basis der Interaktionsgestaltung. Sie trägt wesentlich dazu bei, dass der Kunde das bestmögliche Angebot erhält und die Interaktion dementsprechend auf die spezifischen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten ist. Dies kann einerseits auf Basis bereits vorhandener Daten und Informationen angepasst werden. Das kann einerseits auf Basis bereits vorhandener Daten und Informationen geschehen (z. B. aus vorangegangenen Interaktionen wie Kunden-/ Transaktionsdaten) oder aber direkt in der Interaktion selbst erfolgen. Der Matching-Wert entsteht also dann, wenn der Anbieter seine Kompetenzen so nutzt, dass beispielsweise
a) die richtigen (digitalen) Services in der Interaktion (z. B. Beratung) zielgerichtet eingesetzt werden, um die Bedürfnisse des Kunden herauszufinden oder
b) die vorhandenen und relevanten Daten selektiert und interpretiert werden, um auf den beiden anderen Ebenen die passenden Bestandteile auszuliefern.
Somit beeinflusst die Matching-Ebene sowohl die Beziehungs- als auch die Dienstleistungsebene beziehungsweise die Gestaltung dieser Ebenen direkt. Erste Forschungsergebnisse bestätigen die besondere Stellung der Matching-Ebene, als dass der hier erzielte Wert nicht direkt sichtbar wird, sondern sich vielmehr über die Beziehungs- und Dienstleistungsebene manifestiert.
Dienstleistungsebene
Ziel der Dienstleistungsebene ist die bestmögliche Durchführung der Dienstleistung, um den Dienstleistungswert in und mit der Interaktion zu maximieren. Sie beschreibt, wie die Interaktion selbst als zentrale Dienstleistung den eigentlichen Service beeinflusst und im Dienstleistungswert resultiert. Auch hier gibt es – wie bereits angedeutet – Verbindungen zu den anderen beiden Ebenen. Schafft es ein Anbieter durch die vorhandenen Matching-Kompetenzen zusammen mit dem Kunden in Co-Creation in einer geeigneten Interaktion das richtige Angebot zu kreieren, sind die Voraussetzungen einer Wertschöpfung auf der Dienstleistungsebene gegeben. Zudem beeinflusst ein positiver Beziehungswert den Dienstleistungswert ebenfalls positiv.
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Positives Praxisbeispiel:
Eine Kundin benötigt an einem Samstagabend nach Ladenschluss noch ein Geschenk, um es sonntags verschenken zu können. Sie wendet sich über Instagram (hier der offene Interaktionsraum der Anbieterin) nach Ladenschluss mit ihrem Anliegen an die Händlerin. Diese nutzt den offenen Interaktionsraum und ermöglicht der Kundin das Verschenken eines Gutscheins, in dem sie ihr direkt auf Vertrauensbasis einen digitalen Gutschein mit einem Gutscheincode über den gewünschten Betrag zukommen lässt. Die Kundin müsste dann nur zu Beginn der Woche in das Ladengeschäft kommen, um dort zu bezahlen. Die Kundin ist begeistert und nimmt das Angebot an. Auch wenn der Interaktionsraum des lokalen Geschäfts bereits geschlossen ist, stellt die Händlerin das Potenzial eines offenen Interaktionsraum (Instagram) bereit. Sie bringt der Kundin in dem persönlichen Chat Vertrauen entgegen und kommuniziert mit demselben Sprachstil (beides Beziehungsebene), erkennt schnell, wie sie das Kundenproblem lösen kann (Matching-Ebene) und erbringt den Service direkt über einen für die Kundin situationsspezifisch passenden Kanal (Dienstleistungsebene). Mehr noch: sie entwickelt in der Interaktion eine Lösung für das Problem der Kundin mit einer passenden Dienstleistung, dem Gutschein. Dadurch entsteht auf allen drei Ebenen ein positiver Wert, was zu einem positiven Value in Interaction führt. Zudem eröffnet die Händlerin durch den folgenden Ladenbesuch direkt wieder einen neuen Interaktionsraum.
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Alleine das Vorhandensein einer Interaktion führt logischerweise allerdings noch nicht zu positivem Wert. Vielmehr kommt es auf die Qualität der Interaktion an. So zeigen aktuelle Erkenntnisse, dass eine von mittelmäßigen oder auch negativen Aspekten geprägte Interaktion (fehlende Qualität) überproportionale negative Auswirkungen auf die Zufriedenheit des Kunden mit der Dienstleistung oder dem Produkt hat. Um wertvolle Interaktionen gestalten zu können und nutzlose oder gar negativ wirkende Interaktionen zu vermeiden, müssen heutige Anbieter daher Kompetenzen auf allen drei Ebenen vorweisen.
Auf der Beziehungsebene handelt es sich dabei insbesondere um Kollaborations- und soziale Kompetenzen. Dienstleistungs-Kompetenzen sind die Fähigkeiten, genau zu wissen, welchen Wert ein potenzieller Kunde aus dem Angebot zu ziehen gedenkt – dazu müssen die zugrundeliegenden, individuellen Bedürfnisse verstanden und in den Mittelpunkt gestellt werden. Für die Matching-Kompetenzen bedarf es zum einen der Fähigkeit relevante Informationen zu sammeln und zu interpretieren. Zum anderen sind Kenntnisse zu den konkreten Entscheidungsprozessen der Kunden unabdinglich. Man muss wissen, welche Situationen und Bedürfnisse der Kunden zu welchen Dienstleistungsbestandteilen passen, um diese zuordnen zu können.
Mit dem Value in Interaction wollen wir den Fokus verstärkt auf die Gestaltung jeder einzelnen Interaktion legen. Wir sollten eine Interaktion nie als gegeben oder fertig betrachten, wenn wir sie nicht grundsätzlich hinterfragt und die einzelnen Bestandteile analysiert haben. Es muss klar sein, dass man durch eine aktive Gestaltung einer jeden Interaktion einen positiven Beitrag zu der wahrgenommenen Beziehungsqualität der Akteure und damit zu einer langfristigen Beziehung leisten kann.
Unsere Veröffentlichungen zu dieser Thematik:
Geiger, Manuel; Robra-Bissantz, Susanne; Meyer, Michael. (2020): Wie aus digitalen Services Wert entsteht: Interaktionen richtig gestalten. In: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik. doi.org/10.1365/s40702-020-00611-0
Geiger, Manuel; Robra-Bissantz, Susanne; Meyer, Michael. (2020): Focus on Interaction: Applying Service-Centric Theories in IS. In: 33rd BLED eConference Enabling Technology for Sustainable Society. https://doi.org/10.18690/978-961-286-362-3.46
Geiger, Manuel; Moser, Malte-Felix; Robra-Bissantz, Susanne. (2021): Value in Interaction meets Relationship Quality: Der Wert von Interaktionen für eine langfristige Kundenbeziehung. In: HMD Edition 2020 Praxis der Wirtschaftsinformatik. In Veröffentlichung.
Geiger, Manuel; Jago, Franziska; Robra-Bissantz, Susanne. (2021): Physical vs. Digital Interactions: Value Generation Within Customer-Retailer Interaction. In: 34rd BLED eConference Enabling Technology for Sustainable Society. In Veröffentlichung.